Die Peter Fuld Stiftung mit Sitz in Frankfurt belegt in der Begabtenförderung eine besondere Nische. Sie unterstützt talentierte, engagierte Studenten aller Fachbereiche, in einigen Fällen sogar Oberschüler, die durch ihr soziales Umfeld Benachteiligung erfahren haben. Das war das Vermächtnis ihres Stifters Peter Fuld (1921 bis 1962), der als Sohn des jüdischen Frankfurter Fernsprechunternehmers Harry Fuld selbst vielfältige Diskriminierung erlebte. Nachdem im Nationalsozialismus das Familienunternehmen enteignet wurde, schickte Fulds Mutter den Teenager nach England, wo er, da der Zweite Weltkrieg begann, als Deutscher interniert und später nach Kanada verlegt wurde.
Nach der Entlassung absolvierte er in Toronto ein Jura-Studium mit Auszeichnung. Zugleich mieden viele den Deutschen, der seinerseits bestürzt darüber war, wie schwarze Kommilitonen ausgegrenzt wurden, und dessen Wunschheirat mit einer Schwarzen die Mutter verhinderte, indem sie drohte, ihn zu verstoßen. 1945 kehrte Fuld nach Frankfurt zurück. Er konnte sein Erbteil wiedergewinnen, wurde jedoch schon im Alter von nur 38 Jahren unheilbar krank. In seinem Testament begünstigte er seinen Freund und Anwalt Philip H. Hartley, dem er auftrug, jungen Menschen zu helfen, die Benachteiligungen erfahren haben. Hartley begründete 1969 die gemeinnützige Peter Fuld Stiftung in Frankfurt. Derzeit fördert die Stiftung 30 Stipendiaten aus Afrika, Asien, Südamerika und dem postsowjetischen Raum. Schluss für die nächste Bewerbungsrunde ist der 31. Juli, Informationen zur Stiftung und den Stipendiaten gibt es unter peter-fuld.de. Sie studieren in ganz Deutschland, die meisten freilich in Hessen, von Wirtschaft über Medizin und Ingenieurswesen bis Musik. Zur finanziellen Förderung kommen Bildungsseminare zu Themen, die sich die Stipendiaten wünschen, von Praxisworkshops wie „Verbindlich überzeugen in Gesprächen und Debatten“, „Business Knigge – Professionell auftreten, gut ankommen“, Finanzplanung und Resilienz bis zu „Soziale Medien und Demokratie“. Die Stiftung will den jungen Menschen das Gefühl vermitteln, dass sie an der Gesellschaft teilhaben, sie mitgestalten und zum Besseren verändern können, ungeachtet ihrer individuellen Ausgangssituation.
Immer wieder veranstaltet die Stiftung Salons. Beim jüngsten Kultursalonabend hat die aus Russland stammende Flötistin Asia Safikhanova, eine Fuld-Alumna, anhand von virtuosen Musikstücken ihre dramatische Lebensgeschichte erzählt. Moderiert wurde das Konzert von den Stipendiaten Hajar Harrit und Magd Rashed – ein Beispiel für die Gemeinschaft, die viele als familiär empfinden. Wir haben die beiden sowie zwei weitere Stipendiaten zum Gespräch getroffen, um ihre Lebensläufe zu schildern.
Daria Tymoshenko
Die angehende Opernsängerin Daria Tymoshenko stammt aus der östlich von Charkiw gelegenen Stadt Tschugujew. Dort leben ihre Eltern, Großeltern und andere Verwandte trotz der durch die russische Aggression verursachten Zerstörungen noch immer. Die heute 25 Jahre alte Ukrainerin war nach einem Erasmus-Studium im süditalienischen Monopoli an ihre Hochschule, die nationale Musikakademie in Kiew, zurückgekehrt, wo sie bei Iryna Semenko studiert hat, als am 24. Februar 2022 Russland seine Großinvasion in die Ukraine begann.
Gemeinsam mit ihrer Mutter und der jüngeren Schwester floh sie zunächst an die ukrainisch-ungarische Grenze, wo eine Gastfamilie die drei aufnahm, und von dort zu einer deutschen Gastfamilie in Kelkheim im Taunus, die ihnen sehr geholfen habe, wie Tymoschenko dankbar betont. Die Musikerin, die einen wohlfokussierten, nuancenreichen Sopran besitzt, wurde an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst zunächst als Gaststudentin aufgenommen, bestand dann eine Aufnahmeprüfung und ist nun Masterstudentin bei Ursula Targler-Sell.
Einige ihrer Verwandten und einstigen Kommilitonen stünden heute als Soldaten an der Front, sagt Tymoshenko. Wie viele Ukrainer hat die Sängerin Verwandte in Russland, zu denen sie jedoch den Kontakt schon lange abgebrochen hat. Aber auch in Deutschland meidet sie alles Russische. Von den zahlreichen Exilrussen halte sie sich fern, sagt sie, egal wie diese zum Krieg stünden. Sie singt auch keine russische Musik. Wobei sie betont, dass sie niemanden verurteile, der Rachmaninow oder Tschaikowsky aufführt.
Tymoshenko sagt, ohne die Fuld Stiftung, die sie unterstütze und jederzeit für sie ansprechbar sei, hätte sie nicht in Deutschland bleiben können. Sie besucht auch die Bildungsseminare der Stiftung und erinnert sich mit Wärme an das zur Resilienz, das ihr sehr geholfen hat. Ihr eigenes Resilienzrezept besteht darin, gut zu essen, gut zu schlafen und toxischen Personen aus dem Weg zu gehen. Vor Gesangswettbewerben stelle sie sich das schlimmste Szenario vor, sagt sie – und wappne sich dafür. Sie möchte an einem kleinen, experimentellen Opernhaus arbeiten, hat in Deutschland schon einige Erfahrung gesammelt und sieht hier überhaupt die meisten Optionen für ihre berufliche Zukunft als Sängerin. In der Ukraine, sagt sie, seien heute andere Aufgaben wichtiger.
Som Nath Katyal
Der 19 Jahre alte Gymnasiast Som Nath Katyal ist vor elf Jahren mit seiner Familie aus Afghanistan geflohen. Sie gehört zur uralten, aber von den Taliban zum größten Teil vertriebenen hinduistischen Glaubensgemeinschaft in dem Land. Katyal kam aus Kabul nach Deutschland. Für Hindus sei es in Afghanistan gefährlich, überhaupt auf die Straße zu gehen, berichtet Som Nath Katyal, daher habe seine Familie auf dem Territorium des Kabuler Hindutempels gelebt, in dessen Schule sein älterer Bruder und er Lesen und Schreiben lernten. Sein Vater, der früher Geschäftsmann gewesen war, habe dort keine Zukunft für seine Kinder und sich gesehen.