Interview mit Celine Mwaura & Marion Fros:
„Wie können wir mit Rassismus umgehen?"

Workshop & Gesprächsrunde im Hessischen Landtag

Rassismus ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Er findet unbewusst, mutwillig, offensichtlich oder unbemerkt statt. Stipendiatin Celine Mwaura (Peter Fuld Stiftung) und Marion Fros (Dr. Arthur Pfungst-Stiftung) haben sich mit Rassismus näher auseinandergesetzt und dazu ein Konzept konzipiert sowie einen Workshop für StipendiatInnen durchgeführt. Daraus resultierte der Wunsch einer Gesprächsrunde mit Dr. Jörg-Uwe Hahn, Vizepräsident des Hessischen Landtages, über Rassismus in Deutschland. Wir haben mit den beiden StipendiatInnen über den Workshop, ihre Motivation für das Thema gesprochen und sie zu dem Thema interviewt.    

Von links: Celine Mwaura (Peter Fuld Stiftung) und Marion Fros (Dr. Arthur Pfungst-Stiftung). Fotocredit: privat. 

Frau Mwaura und Frau Fros, was war Ihre Motivation, sich mit dem Thema Rassismus näher zu beschäftigen und einen Workshop für StipendiatInnen zu gestalten?

Marion Fros: Das Thema Rassismus ist schon immer ein großes Problem, worüber viel diskutiert wird, aber trotzdem nicht viel passiert. Ich persönlich habe mich bis vor Kurzem eher oberflächlich damit beschäftigt und mal hier und mal da einen Beitrag dazu gesehen oder gelesen. Deswegen bin ich sehr froh darüber, mit diesem Workshop, die Chance ergriffen haben zu können, selbst an dem Diskurs teilzunehmen und mich intensiver damit auseinanderzusetzen. Außerdem freue ich mich, das, was ich bei der Auseinandersetzung mit dem Thema gelernt habe an unsere MitstipendiatInnen weiterzugeben. Gleichzeitig freue ich mich sehr über die im Anschluss an den Workshop Ende Oktober stattgefundene Gesprächsrunde mit Herrn Dr. Jörg-Uwe Hahn, Vizepräsident des Hessischen Landtags und ehemaliger Hessischer Justizminister für Integration und Europa, und dass wir uns mit ihm zum Thema Rassismus austauschen und unsere und Fragen und Wünsche an die Politik äußern konnten.

Celine Mwaura: Rassismus ist seit langer Zeit tief verwurzelt in unserer Gesellschaft. Um diese Problematik zu adressieren, sind sowohl häufige Diskussionen als auch politisches Handeln nötig. Da es strukturell und institutionell verankert ist, ist es wichtig, dass ein gemeinsames Umdenken stattfindet, um den Kampf gegen Rassismus voranzutreiben. Ich finde es herausragend, dass die Dr. Arthur Pfungst-Stiftung und Peter Fuld Stiftung uns eine Plattform anbieten, gemeinsam mit unseren MitstipendiatInnen ausführlich über das Thema ins Gespräch zu kommen und Lösungen zu erarbeiten. Dass wir auch die einzigartige Möglichkeit haben eine Gesprächsrunde mit Dr. Jörg-Uwe Hahn zu führen, freut mich sehr und war auch eine große Motivation für mich den Workshop zu gestalten.

 

Welche Inhalte und Botschaften waren Ihnen bei dem Workshop wichtig zu vermitteln?

Für uns war es wichtig, zu Beginn die Unterschiede zwischen Rassismus und Diskriminierung zu definieren, als auch darzustellen, wie sich Rassismus im Alltag äußert. Von großer Bedeutung war es für uns zu erklären, wie und wo struktureller und institutioneller Rassismus im Alltag stattfindet. Damit wollten wir zum Denken anregen und mithilfe von Fallbeispielen diskutieren, wie wir Rassismus im Alltag begegnen und andere Menschen dazu bringen können, ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Um konstruktive Diskussionen über Rassismus führen können, war es uns wichtig zu erklären, warum es überhaupt schwierig ist über Rassismus zu sprechen. Zum Schluss wollten wir gemeinsame Ideen und Fragen formulieren, die wir an die Politik haben.

 

In den Medien und der Wissenschaft wird häufig auch von strukturellem bzw. institutionellem Rassismus gesprochen. Was ist darunter zu verstehen und können Sie ein Beispiel nennen?

Celine Mwaura: Institutioneller Rassismus ist die Ausgrenzung, Benachteiligung oder Herabsetzung von Menschen in gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen, z.B. auf dem Wohnungsmarkt, im Bildungssystem, wie beispielsweise in Schulen und Hochschulen, im Arbeitsleben oder im öffentlich-rechtlichen Raum, wie zum Beispiel behördlichen Ämtern oder Schutzeinrichtungen wie der Polizei, Amtsgerichten oder Behörden der Staatsanwaltschaft. Besonders betroffen von institutionellem Rassismus sind People of Color betroffen.

Marion Fros: Ein Beispiel für strukturellen bzw. institutionellen Rassismus ist Racial Profiling, sprich die gezielte Durchsuchung oder Verdächtigung von zumeist People of Color im Straßenverkehr oder der Öffentlichkeit. Außerdem sind People of Color seltener in Ämtern, Gymnasien oder Führungspositionen zu finden. Sie erhalten auch häufiger Absagen bei der Wohnungssuche oder Bewerbungen um einen Job.

 

 


Fotocredit: Peter Fuld Stiftung 

 

In dem Workshop haben Sie verdeutlicht, wie schwierig es ist, über Rassismus zu sprechen. Warum ist das so?

Celine Mwaura: Die fehlende Betroffenheit ist ein Grund, warum Rassismus und Diskriminierung oft bei weißen Menschen unbemerkt bleibt. Zusätzlich wird Rassismus unterschwellig als Tabuthema in Deutschland gesehen und wird bestimmten Personengruppen, wie z.B. Rechtsextremisten, zugeordnet. So wird es vorwiegend als Problem der rechten Schiene betrachtet und führt dazu, dass man sich schnell angegriffen fühlt, wenn man auf rassistischen Aussagen bzw. Handeln angesprochen wird. Ein weiterer Grund, warum es schwer ist über Rassismus zu sprechen, ist die mangelnde Aufarbeitung der Ursachen. Das bedeutet, dass das Bewusstsein für Ursachen von Rassismus fehlt. Ein gutes Beispiel hierfür ist, dass die Kolonialgeschichte Deutschlands im Bildungssystem nur sehr oberflächlich angesprochen wird, wenn überhaupt.

Marion Fros: Es ist schwierig, da viele weiße Menschen sich einfach keine Gedanken darüber machen und das Thema Rassismus ganz einfach nicht als ihre Angelegenheit erkennen und auch nicht als Problem der Gesellschaft, sondern nur bestimmter Gruppen der Gesellschaft. Das liegt unter anderem daran, dass natürlich viele keine Diskriminierungserfahrungen haben und sich damit auch nicht beschäftigen. Ein treffender Satz, der mir in Erinnerung geblieben ist, ist von Politikerin Aminata Touré, die sagt: „Es ist ein Privileg, sich über Rassismus bilden zu können und ihn nicht selbst erleben zu müssen.“

 

Wie können wir mit Rassismus im Alltag umgehen, was kann jeder dagegen tun und wie sollten Opfer und ZeugInnen in einer entsprechenden Situation reagieren?

Marion Fros: Im Alltag sollten wir alle vermehrt mehr die Augen öffnen und uns für die Menschen einsetzen, die Opfer von Rassismus sind und diskriminiert werden. Hierbei gehört aber auch die Auseinandersetzung mit der Thematik, um nicht selbst in die Fallen zu tappen, rassistische Aussagen zu machen, obwohl man sie „nicht böse“ gemeint habe. Denn erst wenn wir verstehen, wie sich People of Color fühlen, können wir besser darauf reagieren.

Celine Mwaura: Als ZeugIn von rassistischem Handeln ist es sehr wichtig, dass man nicht leise bleibt, sondern sich für die betroffene Person einsetzt. Ein Spruch, der dies sehr zutreffend beschreibt, lautet: „Wenn man in einer Situation der Ungerechtigkeit neutral ist, hat man die Seite des Unterdrückers gewählt“. Es ist wichtig, der betroffenen Person zu zeigen, dass sie nicht alleine ist. In bestimmten Situationen ist es hilfreich, dass man ins Gespräch mit der angegriffenen Person kommt und sie vom Angreifer ablenkt, so dass man den Angreifer nicht zusätzliche Aufmerksamkeit schenkt.

 

Was kann man gegen strukturellen Rassismus tun?

Gegen strukturellen Rassismus kann man ankämpfen, indem man Anti-Rassismus Workshops anbietet, z.B. in Schulen, Behörden, Universitäten als auch am Arbeitsplatz, wo über den systematischen Rassismus aufgeklärt und sensibilisiert werden sollte. Die Menschen sollen dadurch dazu bewegt werden, Stellung zu beziehen und aktiv einzugreifen bzw. rassistische Situationen gar nicht erst stattfinden zu lassen.

 

Sie haben mit den Teilnehmenden über die Rolle der Politik diskutiert. Was fordern Sie von der Politik im Zusammenhang mit Rassismus?

Marion Fros: Zum einen fordern wir, dass es im Bildungssystem eine bessere bzw. überhaupt eine Aufklärung der Ursachen von Rassismus gibt. Somit kann man die Aufarbeitung von Rassismus direkt adressieren. Als nächstes wäre es wichtig, die Gesetzeslage zu verbessern, damit es per Gesetz verboten ist, Menschen aufgrund der ethnischen Herkunft oder der Hautfarbe zu diskriminieren, besonders in behördlichen Ämtern, auf dem Wohnungsmarkt, dem Arbeitsplatz oder im Bildungssystem. Dies könnte potentiell durch ein konkretes Anti-Diskriminierungsgesetz erreicht werden, wie es auch zuletzt auf Landesebene in Berlin eingeführt wurde. Somit könnten z.B. Racial Profiling Fälle deutlich reduziert werden.

Celine Mwaura: Wir fordern auch, dass an öffentlich-rechtlichen Stellen häufig(er) Anti-Rassismus Workshops angeboten werden, besonders in Schutzeinrichtungen wie der Polizei. Zudem ist es auch wichtig, dass an Schulen Workshops für LehrerInnen stattfinden, sodass sie bei Rassismus-Fällen intensiver eingreifen und Kids of Color schützen, damit sie eine bessere Schulzeit und Schulbildung genießen können. Wir sind auch der Meinung, dass die Politik dafür sorgen sollte, dass Rassismus nicht mehr als individuelles Problem betrachtet wird, sondern als strukturelles Problem, das tief in unserer Gesellschaft verankert ist. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, um Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft zu bekämpfen.