Interview mit Daria Tymoshenko

Daria Tymoshenko aus der Ukraine ist seit Dezember 2022 Stipendiatin der Peter Fuld Stiftung und studiert Konzert (Gesang) im Master an der Hochschule für Musik und
Darstellende Kunst in Frankfurt. Wir haben Daria gefragt, wie ihr das Studium gefällt und was sie an Operngesang begeistert.

Fotocredit: Peter Fuld Stiftung

Daria, Du bist nun in Deinem zweiten Mastersemester. Wie gefällt Dir das Studieren an der HfMDK?

Das Studium ist sehr cool! Die Professorinnen und Professoren sind großartig, es gibt immer viel zu tun. Manchmal ist es mit der Sprache schwierig, aber alle haben Verständnis.

An welchen Projekten hast Du bislang gearbeitet?

Es gab einige Projekte! Im ersten Semester haben wir die Oper Orpheus und Eurydike von C. W. Gluck in Offenbach aufgeführt. Ich war Eurydike. Das hat mir viel gegeben! Es war auch schwierig, aber toll. Dann hatten wir noch eine Kooperation zwischen der Hochschule und dem Stadttheater Gießen, bei der zwei moderne Kammeropern aufgeführt wurden. Wir haben täglich mit den Komponisten zusammengearbeitet. Es war eine gute Erfahrung und hat viel Spaß gemacht. Das war meine zweite Oper ganz auf Deutsch – ich musste viel auf meine Aussprache achten und daran arbeiten. In den Semesterferien habe ich meine B2-Deutschprüfung bestanden. Man braucht Zeit, um die Sprache zu fühlen! Jetzt im zweiten Semester arbeiten wir an C. Debussys einziger Oper Pelléas et Mélisande. Es wird keine Vorstellung geben, aber ich freue mich trotzdem! Und ich wirke noch bei der Akademie Musiktheater heute mit.

Das klingt nach großartigen Projekten und wir gratulieren zur bestandenen B2-Prüfung! Warum hast Du Dich für Gesang entschieden?

Es war natürlich. Als Kind habe ich mit sieben Jahren angefangen zu singen, seitdem habe ich es nicht mehr hinterfragt. Im Studium an der Nationalen Musikakademie der Ukraine wurde es schwieriger, weil es weniger Arbeitsplätze in Aussicht gibt. Aber in Deutschland gibt es so viele Möglichkeiten! Man kann besser etwas Passendes für sich finden, um etwas Kreatives zu machen. Hier hat das Studium Sinn.

Wann bist Du aus der Ukraine nach Deutschland gekommen?

Am 24. März 2022 bin ich mit meiner Mutter und Schwester wegen des Krieges nach Deutschland gekommen. Maryna Zubko ist Alumna der Peter Fuld Stiftung und war Studentin bei der gleichen Professorin wie ich in der Ukraine. Sie habe ich angeschrieben und gesagt, dass wir fliehen. Sie hat versucht zu helfen und den Kontakt zu der HfMDK hergestellt. Dann habe ich ein Video, in dem ich singe, an die Hochschule geschickt und wurde als Gaststudentin aufgenommen. Ich hatte erstmal nur Gesangsunterricht; das war cool und die Leute waren super. Ich hatte auch kein komisches Gefühl wegen der Sprache, es wird viel Englisch gesprochen. Im Sommer habe ich die Aufnahmeprüfung für den Master bestanden. Meinen Bachelorabschluss an der Musikakademie der Ukraine habe ich auch von Deutschland aus mit Videos absolviert.

 

Wie war diese Erfahrung für Dich? Die Heimat verlassen, hier neu anfangen, dort den Abschluss noch beenden – das alles gleichzeitig!

Es war schwierig, aber in dem Moment musst Du es machen und machst es einfach. Man hat so viel Adrenalin!

Vermisst Du die Heimat?

Ich vermisse meine Leute, Familie, Freunde. Aber hier habe ich viel zu tun und fühle mich gebraucht. Dort herrscht eine andere Atmosphäre…es ist schwierig in Worte zu fassen… Wo ich bin, hängt davon ab, wo ich arbeiten kann. Ich fühle mich wohl, wo ich arbeiten kann. Manchmal vermisse ich Borschtsch! Ich singe gerne ukrainische Musik hier und habe Dzuna Kalnina von der Kammeroper Frankfurt kennengelernt. An vielen ihrer Benefizkonzerte habe ich teilgenommen und viel ukrainische Musik gesungen. Die Musik ist schön und ich verstehe, dass man sie hier nicht kennt. Das ist schade, deswegen möchte ich sie teilen!

Es ist immer sehr bereichernd, neue Musik kennenzlernen! Was sind Deine Ziele für die Zukunft?

Mein Ziel ist, professionelle Sängerin zu sein und meine Fähigkeiten zu nutzen, um mit anderen talentierten Leuten wie in einem Kollektiv Schönes auf die Beine zu stellen. Ich mag neue und moderne Musik, mein Traum ist in Debussys Pelléas et Mélisande die Mélisande zu singen.

Warum ausgerechnet diese Oper?

Französische Musik ist etwas anderes, wie von einer anderen Welt! Ich möchte auch Französisch lernen, denn diese Oper ist wegen der Sprache schwierig. Aber auch die Musik ist anspruchsvoll. Es klingt nicht schwierig, wenn man es hört, aber zum Einstudieren ist es ungewöhnlich – aber alles ist möglich! Diese Oper hat keine klassischen Harmonien, ist aber auch noch keine moderne Musik. Debussy ist Impressionist, am Übergang von der Romantik zur modernen Musik mit Experimenten.

Das scheint herausfordernd zu sein! Hast Du ein Idol, das Dir Mut macht?

Barbara Hannigan ist mein Vorbild! Sie singt meistens zeitgenössische oder moderne Musik und das ist, was ich machen möchte. Sie ist auch eine unglaubliche Darstellerin!

Was bedeutet Dir bei dem Erreichen Deiner Ziele das Stipendium der Peter Fuld Stiftung?

Mir ist das Stipendium wichtig, weil ich die Möglichkeit kriege, mich auf das Studium zu fokussieren und nicht darauf, wie ich überleben soll. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Zeit für mein Studium nutzen und schnell lernen kann, um dann etwas zurückzugeben, wenn ich Arbeit bekomme. Ich möchte finanziell unabhängig werden und muss dafür professionelle Sängerin werden. Mit dem Stipendium kann ich Zeit sparen und mich auf das Studium ausrichten.

 

Daria Tymoshenkos Auftritt beim Konzertpodium Gesang ihrer Klasse